WiccaCreed 01 - Zeichen & Omen by Woolf Marah

WiccaCreed 01 - Zeichen & Omen by Woolf Marah

Autor:Woolf, Marah [Woolf, Marah]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Wicca
veröffentlicht: 2023-03-27T00:00:00+00:00


12. Kapitel

Die andere Seite war, bis auf einige steinerne Säulen, die ein Dach trugen, offen. Kalter Wind fegte hindurch. Es war eher ein Balkon als ein Gang. Nikolai wechselte auf meine linke Seite, um den Wind abzuhalten. Diesen Weg hatte ich noch nie genommen, aber ich nahm an, es war eine Abkürzung zu unseren Zimmern. Einem Strigoi machte die Kälte nichts aus, mir aber schon. Finsternis und Stille umgaben das Schloss wie ein Grab. Der abnehmende Mond und die Sterne lagen hinter Wolken verborgen. Wir hatten das Ende des Ganges noch nicht erreicht, als ein dunkler Glockenschlag mich zusammenzucken ließ. Vor Schreck stolperte ich vorwärts, doch bevor ich fiel, schlang Nikolai einen Arm um meine Taille und schob mich wieder ins Innere. Geräuschlos schloss sich die Tür hinter uns. Ich wollte mich von ihm losmachen, als ich die geisterhafte Gestalt bemerkte, die wenige Meter vor uns durch den Flur schwebte. Sie stand an einem der Fenster und schien zu lauschen. Wieder erklang der Glockenton, dumpf, aber gut hörbar. Die geisterhafte Gestalt stöhnte leise, als hätte sie Schmerzen. Langes Haar floss ihr über den Rücken. Ich sah zu Nikolai auf, der mich weiter an seine Brust gepresst hielt. »Ancuta«, formte er lautlos mit den Lippen, und ich nickte zustimmend.

Die tote Hexe trug ein weißes Nachthemd. Es war über und über mit Blut besudelt. Was mich am meisten schockierte, war, wie jung sie war. Kaum älter als ich, womöglich sogar ein oder zwei Jahre jünger, und von solch empfindsamer Schönheit, wie ich sie bei einer Hexe nicht erwartet hatte. Sie hatte ihr ganzes Leben noch vor sich gehabt, aber ihre eigene Mutter hatte es ihr gestohlen. Die Vorstellung war grausam. Mit der Hand hielt sie einen Dolch umklammert. War sie damit getötet worden? Im Sekundentakt tropfte Blut von dessen Spitze auf die Steine und löste sich in dem Moment auf, in dem es auf den Boden fiel. Ancuta wandte sich um und schaute aus blicklosen hellgrünen Augen in unsere Richtung. Mein Herzschlag beschleunigte sich, während Nikolai hinter mir zu einer Salzsäule erstarrte. Ich hielt die Luft an. Erzürnte Geister waren in der Lage, großen Schaden anzurichten, und wenn Ancuta in all den Jahren nicht aufgegeben hatte, ihren Sohn zu suchen, dann musste sie sehr wütend sein. Je länger Geister in dieser Welt blieben und nicht ins Sommerland gingen, um sich auf ihre Wiedergeburt vorzubereiten, desto unberechenbarer wurden sie. Nikolais Daumen beschrieb beruhigende Kreise auf meinem Bauch, und obwohl eine Bluse und ein Unterhemd seine Haut von meiner trennte, breitete sich ein flatterndes Gefühl in meinem Magen aus und ich lehnte mich an ihn.

»Milas?«, flüsterte Ancuta, und Tränen liefen ihr über die Wangen. Für einen Moment glaubte ich, sie würde zu uns kommen. Aber sie legte nur den Kopf schief und betrachtete uns aufmerksam. »Bist du hier?« Diese Frage stellte sie so leise, dass ich sie kaum verstand. Dann schwebte sie weiter, bog um eine Ecke und hinterließ nur einen leuchtenden Staub, dessen Glanz umgehend verblasste.

Nikolai ließ mich los und trat von mir zurück.



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